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Spähsystem XKeyscore: Ergiebiges Spionagewerkzeug

Deutsche Geheimdienste nutzen nach Informationen des SPIEGEL das NSA-System XKeyscore - das hat Verfassungsschutz-Präsident Maaßen nun bestätigt. Folien aus dem Fundus von Edward Snowden zeigen, wie ergiebig dieses Werkzeug ist.

Es ist der Sommer der neuen Vokabeln: Durch Whistleblower Edward Snowden hat die Welt von riesigen Schnüffelprogrammen namens Prism,Tempora oder Boundless Informant erfahren, nun kommt wieder ein neuer Begriff dazu - XKeyscore.

Hinter der Bezeichnung verbirgt sich ein Spionagesystem der NSA, das nach SPIEGEL-Informationen der deutsche Auslandsgeheimdienst BND und das im Inland operierende Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)nutzen.

XKeyscore ist das System, mit dem die NSA selbst einen Großteil der monatlich bis zu 500 Millionen Datensätze aus Deutschland erfasst.

In der vergangenen Woche hat die brasilianische Zeitung "O Globo" über XKeyscore berichtet und einige Folien aus einer internen NSA-Präsentation aus dem geheimen Schatz Edward Snowdens veröffentlicht. Durch die SPIEGEL-Recherchen ist nun klar, dass genau dieses System auch deutschen Geheimdiensten zur Verfügung steht.

Der SPIEGEL hat BND und BfV dazu am Donnerstag befragt - und keine Antwort zum Einsatz des Systems erhalten. Vom BND hieß es, zu Einzelheiten der nachrichtendienstlichen Tätigkeit könne man leider öffentlich nicht Stellung nehmen. Nun hat Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen öffentlich eingestanden, das System zu nutzen. Der "Bild am Sonntag" ("BamS") sagte er: "Das BfV testet die vom SPIEGEL angesprochene Software, setzt sie aber derzeit nicht für seine Arbeit ein." Dass der BND das Werkzeug ebenfalls gut kennt, erschließt sich aus einem dem SPIEGEL bekannten NSA-Dokument. Darin heißt es, die Kollegen vom BND sollten den Inlandsgeheimdienst im Umgang mit dem Spionageprogramm schulen.

In der "BamS" weist Maaßen die angebliche "Spekulation zurück, dass das BfV mit einer von der NSA zur Verfügung gestellten Software in Deutschland Daten erhebt und an die USA weiterleitet oder von dort Daten erhält". Doch dies hat bislang niemand behauptet. Aus den geheimen Unterlagen, die dem SPIEGEL bekannt sind, geht hervor, dass von Datensätzen aus Deutschland, auf die die NSA Zugriff hatte, ein großer Teil mit dem XKeyscore-Programm erfasst wird.

Antworten auf drängende Fragen stehen aus: Was können die Versionen von XKeyscore, die bei BND und BfV genutzt und "getestet" werden? Und: Haben die Geheimdienstchefs das parlamentarische Kontrollgremium in den vergangenen Wochen darüber unterrichtet? Und wenn nicht, warum?

Suche bei Google Maps kann verräterisch sein

Die XKeyscore-Folien stammen aus dem Jahr 2008 und zeigen Grundzüge des Spionagewerkzeugs. Zu dem System gibt es offenbar verschiedene Erweiterungen und Ausführungen. Die Abbildungen lassen darauf schließen, wie mächtig das Werkzeug ist: Eine Grafik zeigt ein Männchen am Computer, einen stilisierten NSA-Analysten, der eine Anfrage stellt - an eine Datenbank, die mit E-Mails, Telefonverbindungen, Login-Daten und Nutzeraktivitäten gespeist wird - Metadaten. Schon diese Daten sind enorm aussagekräftig.

Beziehungsgeflechte, Bewegungsprofile und Nutzungsgewohnheiten von Menschen lassen sich damit darstellen. Metadaten geben Antworten auf Fragen: Wer hat wann mit wem gesprochen? Und auch: Welche Firmen sind miteinander im Gespräch?

 

Folie zu Google-Maps: "Was ist mit den Web-Suchen - sind sie verdächtig?"

Metadaten fallen auch bei Suchanfragen an und lassen sich einer bestimmten Person zuordnen. So lässt sich mit XKeyscore rückwirkend sichtbar machen, welche Stichwörter Zielpersonen in Suchmaschinen eingaben oder welche Orte sie auf Google Maps suchten. Eine Folie zeigt, dass die Suche eines Nutzers bei Google Maps als Basis dafür dienen kann, um weitere Informationen zu gewinnen. "Was ist mit den Web-Suchen - sind irgendwelche davon auffällig oder verdächtig?" steht auf einer der Folien.

Wie sich Nutzer schützen

Und XKeyscore kann noch mehr:  Den Unterlagen zufolge verfügt das System über einen Zwischenspeicher, der für mehrere Tage einen "full take" aller ungefilterten Daten aufnehmen könnte. Das heißt: Neben den bereits sehr aussagekräftigen Verbindungsdaten geht es zum Teil auch um Kommunikationsinhalte.

Das Ausforschen des Google-Suchverhaltens mit der Hilfe von XKeyscore ist nach Bekanntwerden der geheimen Präsentation im Netz noch einmal diskutiert worden: Unter anderem gab das Web-Magazin Slate nach der Enthüllung Empfehlungen, was Nutzer tun können, die Google jetzt misstrauen. Es gebe viele Werkzeuge, um anonym im Web zu surfen, etwa über Tor oder ein Virtual Private Network (VPN). Oder man könne einfach die Suchmaschine wechseln, und auf Dienste wie Ixquick undDuckDuckGo ausweichen, die sich den Datenschutz auf die Fahne geschrieben haben.

Quelle: spiegel.de/netzwelt